Sollen wir aufgrund der Hysterie auf die Frauen*demo verzichten?

Wegen des Coronavirus hat das Bundesamt für Gesundheit vorübergehend Veranstaltungen mit über 1’000 Personen untersagt. Vom Versammlungsverbot betroffen ist auch die für den 7. März angekündete Frauen*demo in Zürich. Das Frauen*bündnis Zürich will die Demonstration aber dennoch durchführen. Mit der Begründung: «Wir machen uns gerade in ‹Krisenzeiten› für Feminismus stark!» Als «zutiefst unsolidarisch» und «revolutionär dumm» bezeichnet der Tages-Anzeiger die Ansage, dennoch zur Demo aufzurufen. Auch die Neue Zürcher-Zeitung findet die Teilnahme an der Frauen*demo, aus mehreren Gründen bedenklich: «Echte Solidarität bedeutet in diesem Fall Verzichten», schreibt die Autorin des NZZ-Artikels mit dem Titel «Unbewilligte Frauendemo ist der falsche Weg». Es sei störend, dass «die wichtigen Themen von einigen selbsternannten Feministinnen für ihre Selbstinszenierung instrumentalisiert werden.»

Einige Student*innen und Doktorand*innen der Universität Zürich sprechen sich jedoch für die Aufrechterhaltung der Frauen*demo aus. Unter anderem aus folgenden Gründen:

«Das Verbot vom Bund ist sicher eine gerechtfertigte Massnahme zur Eindämmung der Verbreitung der Ansteckung. Es werden sicher weniger Leute kommen, aber jede*r sollte sich treffen dürfen. Wir leben ja nicht in einem Polizeistaat, oder?» – Milos Lazovic, Master-Student an der UZH

«Ich unterstütze die Aufrechterhaltung der Frauen*demo trotz des Versammlungsverbots. Die in offiziellen Medien veröffentlichten Reaktionen benutzen das Virus, um feministische Ansprüche erneut zu diskreditieren: Der Vorwurf der “Unsolidarität” klingt nach einer gewöhnlichen rhetorischen Strategie, um die feministische Solidarität als “gewissenlos” und inkonsequent hinzustellen. Um über Solidarität überhaupt nachzudenken, ist es nicht nötig, radikale feministische Aktionen, so “revolutionär dumm” sie einigen erscheinen mögen, an den Pranger zu stellen. Dadurch wird im Gegenteil Freiraum für allerlei sexistischen Kommentaren geboten – eine Diskursoperation, die wiederum zweifellos für Unsolidarität gegenüber feministischen Protesten in der Öffentlichkeit sorgt. Jedoch prägt Sexismus unseren Alltag nicht weniger als das Virus und dieses kann kein Grund sein, internationale sozialpolitische Anliegen auszublenden.» – Louise Décaillet, Doktorandin an der UZH

«Ich bin für die Demo.» – Tadeusz Koczanowicz, Doktorand an der UZH

«Jede Frau* (und auch jeder Mann*) sollte für sich selbst entscheiden können, ob sie (oder er*) an der Frauen*demo teilnehmen und sich für die Anliegen der Frauen* einsetzen möchte. Eine Teilnahme sollte zu keinem Zeitpunkt zu einer Gewissensfrage werden. Zudem hilft es, zusammen zu kommen, sich über Ängste und Sorgen auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen und der Krise als Gemeinschaft zu begegnen. Die Frauen*demo ist ein solcher Ort des Austausches und der Gemeinschaft.» – Sandra Biberstein, Master-Studentin an der UZH

«Bei der Kritik an der Frauen*Demo vermischen sich ehrliche Sorge um die Gesundheit der Beteiligten und politisches Kalkül der Veranstaltungsgegner*innen. Eine verbotene Demo mit einem weiteren Verbot kippen zu wollen, ist dabei paradox. Jede Frau* kann selbst entscheiden, ob sie an diesem Wochenende trotz der Gefahr des Corona-Virus streiken möchte. In meinen Augen ist es die richtige Entscheidung des Kollektivs, das Streik-Angebot aufrecht zu erhalten.» – Dominik Fischer, Master-Student an der UZH

 

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www.frauenbuendnis-zueri.ch/?fbclid=IwAR3fbjKLubWHAxoTEYttd9tLy8oee1lFCq0lDRL9beqNZw4SKsSszco-zfo

www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/revolutionaer-dumm/story/25392058

www.nzz.ch/zuerich/corona-in-zuerich-unbewilligte-frauendemo-ist-der-falsche-weg-ld.1544492

www.woz.ch/2010/coronavirus/nicht-alle-sind-gleich-verletzlich?fbclid=IwAR3HwCqIluA3ONN-qFkY71dbmcnl5IldOMpLwXo1Fu5lrdDBaqbHcMvBvzQ